Titel
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Was der Physiker Ernst Abbe, der Mechaniker Carl Zeiss und der Biologe Ernst Haeckel vor über einhundert Jahren
in Jena an Innovationen auf den Weg brachten, prägt bis heute Technologien und Verfahren. Die Saalestadt ist bis
heute wichtiges Zentrum der optischen Industrie. Professor Dr. Jürgen Popp setzt wie die historischen Vorbilder
auf Interdisziplinarität und schlägt in seiner Arbeit als Direktor des Institutes für Photonische Technologien IPHT
die Brücke von der Physik und den Ingenieurswissenschaft hin zu den Lebenswissenschaften und der Medizin.
Interdisziplinarität
als Erfolgsrezept
Dafür findet Popp mit seinem Team auf dem Jenaer Beutenberg
Campus, dessen Motto „Life Science meets Physics“ ist, die idealen
Voraussetzungen: „Wir haben hier physikalisch-optische Institute
und lebenswissenschaftlich-medizinisch ausgerichtete Einrichtun-
gen. Das IPHT hat sich in den letzten Jahren so aufgestellt, dass wir
eine Gelenkfunktion übernehmen und Vermittler zwischen den
Disziplinen sind.“ Gemeinsam mit vielen Partnern werden im IPHT
offene Fragen der Grundlagenforschung beantwortet. Dabei liegt ein
besonderer Fokus auf der Biophotonik – also der Anwendung
optischer Technologien für die Medizin sowie die Lebens- und
Umweltwissenschaften. Ein großes Thema sind dabei die Infektions-
krankheiten. Zusammen mit der Universität Jena, dem Universitäts-
klinikum und Industriepartnern konnte das IPHT den „Forschungs-
campus InfectoGnostics“ einwerben. „Ziel dieser Initiative ist es,
Krankheitserreger schnell und einfach nachweisen zu können – hier
bei uns in Europa, aber vor allem auch in den Entwicklungsländern,
wo AIDS, Malaria und Tuberkulose nach wie vor zu den größten
Gesundheitsgefährdungen gehören“, umreißt Popp das ambitionier-
te Projekt. An anderer Stelle geht es im IPHT um neue Diagnose-
methoden für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Hier haben wir zusam-
men mit dem Universitätsklinikum neuartige Fasersonden
entwickelt, mit denen Untersuchungen von arteriosklerotischen
Plaques, in Zukunft aber auch an anderen endoskopisch zugängli-
chen Erkrankungen möglich sind“ (siehe Kasten). Dem 46-Jährigen
ist es dabei wichtig, das die Forschung nicht im Labor „stecken-
bleibt“: „Wir wollen die Entwicklungen stets so weit voranbringen,
dass sie auch wirklich beim Patienten ankommen.“
Die enge Verzahnung mit verschiedenen Partnern ist also für das
IPHT von besonderer Bedeutung. Popp selbst ist nicht nur Direktor
des Institutes auf dem Beutenberg Campus, sondern verbindet sei-
nen Lehrstuhl für Physikalische Chemie an der Universität Jena mit
dem Direktoriumsposten am gleichnamigen Uni-Institut. Eine immer
größere Rolle spielt die Kooperation mit der Universitätsklinik. Eine
gemeinsame Nachwuchsgruppe des IPHT und des Zentrums für
Sepsis und Sepsisfolgen hat in der Klinik sogar eigene Labore, um
mit Patientenproben arbeiten zu können.
Ist das IPHT dann eigentlich noch ein klassisches Optik-Institut? Für
Popp eine klare Sache: „Wir erarbeiten neue optische und photoni-
sche Verfahren und Instrumente, die den Biologen und Medizinern
bei ihrer Arbeit helfen.“ Darin sieht der IPHT-Direktor das Allein-
stellungsmerkmal seines Institutes: „Wir bringen Technologen und
Anwender zusammen, wie es in dieser Form sonst keiner macht“.
Wie ist das Institut organisiert? „Wir bekommen vom Freistaat Thü-
ringen eine Grundfinanzierung von etwa neuen Millionen Euro pro
Jahr. Der Wissenschaftsrat hat uns bei der Gründung des IPHT beauf-
tragt, jeden Euro des Landes mit einem weiteren Euro an Drittmitteln
zu ergänzen. Ein breiter Mix verschiedener Drittmittelquellen –
Bund, EU, DFG und zum Teil auch Industrie – sorgt für eine außer-
ordentlich stabile finanzielle Situation“, betont Popp.
Auf die Frage, ob die Ausrichtung des IPHT mit der des benachbar-
ten Fraunhofer-Institutes für Angewandte Optik und Feinmechanik
IOF vergleichbar ist, verweist Popp auf den entscheidenden Unter-
schied: „Dort wird sehr industrienah geforscht. Wir sind eher ein
Partner der Grundlagenforschung. Bei uns beträgt der Anteil der
Industriemittel nur rund fünf Prozent.“ Die Zusammenarbeit mit dem
IOF sei aber traditionell gut, betont Popp. Und wo es Sinn macht, ar-
beite man sehr eng zusammen: „Wir vereinigen gerade unsere Kom-
petenzen auf dem Gebiet der aktiven optischen Fasern mit der
Perspektive, diese einer kommerziellen Verwertung zuzuführen“, er-
läutert Popp. Nachgefragt: Beim IPHT stehen am Ende also keine
markfähigen Produkte auf dem Tisch, sondern Lösungen für Frage-
stellungen aus der Grundlagenforschung? „Genau. Wir erforschen die
physikalischen Grundlagen für neue Verfahren und Systeme, schnei-
dern diese auf die jeweilige Anwendung zu und gehen bis zum
Labormuster, das dann Firmen einen Eindruck davon vermittelt, wie
das Verfahren funktioniert. Damit den Markt zu erobern, ist dann
Sache der Industrie.“ Ein Beispiel? „Wir haben hier im IPHT eine
Sicherheitskamera entwickelt, die unter der Kleidung verborgene
Gegenstände zeigt, ohne die Einzelheiten des Körpers preiszugeben.
Die Kamera arbeitet mit Licht im Terahertzbereich und nutzt aus-
schließlich die Strahlung, die der Mensch selbst abgibt. Diese wird
von Gegenständen, zum Beispiel Waffen, abgeschirmt, auch, wenn
sie die gleiche Temperatur wie der Körper haben. Deshalb sind sie
auf den Bildern, die die Kamera liefert, deutlich zu erkennen – vom
Menschen selber sehe ich aber nur die groben Umrisse.“ Damit ha-
be die IPHT-Terahertzkamera gegenüber heute bereits an Flughäfen
eingesetzten Systemen zwei entscheidende Vorteile: Der Passagier
werde nicht bestrahlt und müsse keine „Nacktbilder“ fürchten. „Bei
dieser Entwicklung sind wir sehr weit gegangen, um der Industrie
beweisen zu können, dass das System wirklich auch außerhalb des
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