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Dr. Klaus Schindler ist Geschäftsführer des OptoNet e.V., Kompetenznetz Optische Technologien, in Jena.
Thüringenweit arbeiten 170 Unternehmen in diesem Bereich, rund 70 davon sind Mitglied im OptoNet, zusam-
men mit Partnern aus der Forschung sind es 95 Mitglieder. Somit steht das Netzwerk für über 10.000 der insgesamt
13.500 Beschäftigten. Im WIRTSCHAFTSSPIEGEL spricht Schindler über die Zusammenarbeit mit anderen
Verbänden und die Notwendigkeit, international zu agieren.
Jena ist hoch innovativ
Was macht die Branche der Optik in Thüringer
zu einer eigenständigen Industrie?
„Eine Branche in dem Sinne ist es nicht. Man ist manchmal geneigt,
es als Branche zu bezeichnen, da sind die offiziellen Statistiken
manchmal ein wenig kompliziert. Aber das geht uns nicht nur in
Thüringen so. Früher wurde von optischen Technologien gespro-
chen, das umreißt das Feld ziemlich gut. Heute sagt man dazu
Photonik. Wir verstehen darunter alles von der Industrie bis zu
Forschung, alles was im weitesten Sinne mit Licht zu tun hat.
Worunter man sich konkret etwas vorstellen kann, sind Linsen oder
Prismen. Aber die Photonik ist natürlich ungleich breiter. Das um-
fasst die Lasertechnologie, aber auch die industrielle Bildverar-
beitung, die Kommunikation und Information, die auf optischem
Weg abläuft, die Beleuchtungstechnik bis zur Medizintechnik und
der Biophotonik. Es ist also keine Branche, sondern es sind viele
Technologien, die in alle Wirtschaftsbereiche hineinwirken und da-
mit für alle anderen Industrien relevant sind. Deshalb ist es oft
schwierig, Unternehmen richtig einzuordnen. Die Carl Zeiss Meditec
als großes Unternehmen hier in Jena ist natürlich ein Unternehmen
der Medizintechnik, aber praktisch alles, was dort produziert wird,
basiert auf optischen Technologien. Ein anderes Beispiel ist der
Optikhersteller Docter Optics. Er beliefert die Automobilindustrie mit
Scheinwerferlinsen und so könnte man das Unternehmen auch als
Automobilzulieferer einordnen. Aber es ist ein Optikproduzent.“
Wie ist Thüringen oder Jena im Vergleich zu anderen
Optikstandorten einzuordnen?
„Jena ist hoch innovativ. Aber gemessen am Umsatz eher klein.
Deutschlandweit erwirtschaften die Optikhersteller rund 28
Milliarden Euro, Thüringen liegt bei etwa 2,8 Milliarden, trägt also
zu einem Zehntel des Umsatzes bei. Jena zeichnet aber die gesam-
te Technologiebreite aus, das findet man an fast keinem anderen
Optikstandort. Thüringen wiederum zeichnet auch eine besondere
Industriestruktur aus, die relative Kleinteiligkeit der Unternehmen.
Wir haben wenige große Unternehmen, was auf der einen Seite ein
bisschen schade ist, aber auf der anderen Seite bedienen die kleinen
sehr viele Nischen. Die Unternehmen sind in ihren Nischen oft
Marktführer und haben hoch innovative Produkte und Technologien.
Das ist insgesamt ein sehr stabiles System. Außerdem sind die klei-
nen Unternehmen sehr flexibel und finden ihre Kunden weltweit.
Die Exportquote liegt bei fast 70 Prozent.“
Diese hohe Quote ist für Thüringen recht ungewöhnlich. Liegt
es daran, dass die Kunden der Photonik weltweit agieren oder
haben sich die Unternehmen frühzeitig neue Märkte außerhalb
Deutschlands gesucht und im Ausland gefunden?
„Es ist vor allem die Struktur der Kunden. Es sind Kunden aus allen
Industrienbereichen und fast keine Endverbraucher. Man muss also
sehen, wo es diese Industrien gibt und die sind nun einmal weltweit
verteilt. Die Märkte für die hoch spezialisierten Produkte liegen
kaum hier in Thüringen.“
Wie haben es die kleinen Unternehmen nach der Wende im
Neubeginn geschafft, neue Kunden in Westeuropa zu finden, wo
doch die meisten Märkte in Osteuropa lagen, oder gab es auch
damals schon Verbindungen in Richtung Westen?
„Natürlich hatten die großen Kombinate Verbindungen in den
Westen. Aber die großen Märkte lagen im Osten. Nachdem diese
Märkte wegbrachen, war die Neuorientierung eine erstaunliche
Sache. Das Drängen auf die neuen Märkte war schon damals damit
verbunden, dass man sehen musste, wo die Kunden sitzen. So blieb
den Unternehmen gar nichts anderes übrig, als international tätig zu
werden. Man braucht aber gute Produkte und es ist kein Geheimnis,
dass deren Herstellung sehr teuer ist, weil man teure Geräte und
Anlagen braucht. Da hat die Unterstützung des Freistaates und der
Bundesregierung den Unternehmen sehr geholfen. Die Unternehmen
haben Fördermittel genutzt, um sich neue Technologien zu erschlie-
ßen, aber auch um Investitionen zu tätigen. Das war ein guter
Anschub. Es ist aber nicht nur die Frage nach der Ausrüstung, son-
dern man braucht auch Ideen und Forschungskapazitäten. Größere
Forschungskapazitäten hatten die kleinen Unternehmen im Allge-
meinen nicht und haben sie oft auch heute noch nicht. Deswegen ist
die gesamte Landschaft hier mit den Forschungsinstituten und den
Hochschulen optimal, so etwas findet man auf so engem Raum
kaum. Das ist ein riesiger Vorteil des Standortes.“
Die Zeiten der üppigen Fördermittel sind nun vorbei. Sehen
Sie die Unternehmen in der Lage, künftig mit weniger
öffentlichem Geld auszukommen und trotzdem weiterhin
innovativ zu bleiben?
„In der aktuellen Förderperiode ab 2014 gehen die Quoten nun tat-
sächlich runter. Wir sind zwar noch kein C-Gebiet, sondern ein Über-
gangsgebiet, aber natürlich sinken die Zuwendungen. Wir erheben
gerade Daten von unseren Mitgliedsunternehmen und fragen auch,
ob sie ohne die bisherigen Fördermittel auskommen können. Und
die meisten sagen, dass sie es können. Es gibt aber Unternehmen
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